Wednesday, October 7, 2015

Die Definition von Vielseitigkeit


Eine nahezu unüberschaubare Anzahl von verschiedenen Acts aus den unterschiedlichsten Bereichen, überall in der ganzen Stadt verteilt -  das war das diesjährige Cape Town Fringe Festival.
In diesem Jahr fand es zum zweiten Mal statt und CEO Tony Lankester ist auf voller Linie zufrieden:
"Das zweite Jahr mit Cape Town Fringe hat Wachstum und weiteres Potential gezeigt. Wir nehmen einige neue Ideen aus diesem Jahr mit, da wir im regen Austausch mit Künstlern, Zuschauern und Medienvertretern standen, um von ihnen zu hören, wie Fringe noch besser werden kann.
Unter den Höhepunkten für das Cape Town Fring Team war die Begeisterung der Kinder, die am Schulprogramm teilnahmen und die Arbeit mit den passionierten und talentierten Künstlern, die mit ihrem Engagement soviel zu der positiven Energie des Festivals beigetragen haben."

Das besondere am Konzept des Festivals ist, dass es aus vielen kleinen Shows besteht, in denen häufig das Publikum einbezogen wird, um für größere Nähe zu sorgen.
Wie vielseitig die Acts waren, sollen hier beispielhaft drei verschiedene Auftritte zeigen.
 
1. Magic through the Ages
Eine Magieshow? Was kann es da schon neues geben? Das mag zumindest der ein oder andere denken. Und tatsächlich wirkt es erst einmal so, als würde Brendon Peel nur die bekannten Tricks aus dem Hut zaubern. Doch weit gefehlt. Die Art, wie er seine „Magie“ dem Publikum präsentiert und dieses mit einbezieht, ist innovativ und vor allem unterhaltsam.
Nicht nur, dass er  hin und wiederkleine geschichtliche Fakten mit einstreut, um zu erklären, wie einige der bekanntesten Tricks und die Magie an sich entstanden sind. Vielmehr schafft er es, das Publikum permanent zu verwirren, indem er seine Kunststücke scheinbar erklärt, nur um dann zu zeigen, dass er seine Zuschauer erneut hinters Licht geführt hat.

Für ihn sind seine Tricks aber nicht nur reine Unterhaltungsmethoden. Er versteht sie auch als Psychologietest, um die Grenzen des Publikums auszureizen. Während eines Kunststücks bittet er eine Zuschauerin, erst ihren Namen, dann ihre Bankdaten auf eine Spielkarte zu schreiben. Nach kurzem Zögern setzt sie den Stift für die Kontodaten an, doch Brendon stoppt sie. Später erklärt er:
"Die Zuschauer sind bereit, viel mehr zu tun, wenn sie denken dass es Teil eines Tricks ist und es ist interessant ihre Grenzen zu erkunden."
Seine Show ist durch all diese Facetten für alle Altersgruppen unterhaltsam und birgt einige Überraschungen. Magie ist eben doch nicht immer das gleiche.



2. Fat Man's Coop
Dieses 30-minütige Schauspiel setzt sich viel mehr mit der Gedankenwelt und der Verzweiflung von übergewichtigen Menschen auseinander und ihrem persönlichen Konflikt mit ihrer Außenwirkung.
Dominic Paulsen gibt beeindruckend die Resignation und Verzweiflung wieder, mit der übergewichtige Menschen kämpfen müssen. 
Es ist kein schönes Stück. Gleich zu Beginn schleppt Dominic sich von der Bühne und verschwindet hinter den Kulissen, um sich dort zu übergeben. Wie das Publikum kurz darauf erfährt, hatte er versucht, sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Alles an ihm strahlt Fatalismus und Resignation aus.

Das Bühnenbild wirkt in diesem Zusammenhang wie seine innere Gedankenwelt. Drei Schaufensterpuppen, verkleidet als ein Engel, ein Teufel und eine Art Joker stehen in einem Dreieck auf der Bühne. Sie scheinen für seine widersprüchlichen Gefühle zu stehen. Während der Engel seine rationale Seite widerspiegelt, stehen Teufel und Joker für Gefühle wie Selbst-Verachtung und Minderwertigkeit. Immer wieder ist ein Zischeln zu hören, dass wie Flüstern klingt. Dominic schreit dann die Figuren an, sie sollen schweigen. Was vermeintliche Einbildung ist und scheinbar wenig zu sagen hat, wird später noch wichtig, denn die Puppen führen scheinbar ein Eigenleben. Das Stück dreht sich jedoch kaum um  den Einfluss anderer Menschen in Dominics Leben. Die einzige Interaktion mit der Außenwelt sind immer wieder auftretende Stimmen aus dem Off, meistens von einer Frau, die Dominics Mutter sein könnte. Doch diese Stimmen bleiben anonym und unterstreichen Dominics Isolation.

Eines Abends entscheiden die Puppen sich, Dominic in dieser Nacht endgültig in seinem Selbstmord zu treiben. Für sie ist es klar, dass er aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht lebenswert ist. Dominic bringt jedoch endlich die Kraft auf, sich seinen Dämonen entgegen zu stellen. Dem Teufel und dem Joker reißt er die Kleider und Perücken vom Leib und lässt sie wissen, dass sie keine Macht mehr über ihn haben und er dankt dem Engel, dass er ihn vor unvernünftigen Schritten bewahrt hat. Nun möchte er sein Leben selbst in die Hand nehmen.

"Fat Man's Coop" ist ein beeindruckendes, ungewöhnliches Stück, dass eine andere Perspektive auf Übergewichtigkeit erlaubt.
Dominic zeigt, wie übergewichtige Menschen einerseits mit ihrem eigenen Selbstmitleid kämpfen müssen, gleichzeitig wissen sie jedoch, dass sie von anderen aufgrund ihrer Figur abgewertet werden.


3. Michael Lowman
 Michael Lowman ist ein südarikanischer Sänger und Songwriter aus Durban. In Südafrika konnte er sich in den letzten Jahren bereits einen Namen machen und wurde unter anderem für den South African Music Award for Best Adult Contemporary Album nominiert.

Im Rahmen von Fringe gab er einige kleine Konzerte, in denen er sowohl eigene Stücke, unter anderem seine neue Single "Fight", als auch Coversongs präsentierte. Er legt sich nicht eindeutig auf eine Musikrichtungen fest, nutzt aber Elemente aus Pop, Rock Blues und Folk. Das besondere an seinen Konzerten war, wie bei allen Fringe-Acts, die Nähe zum Publikum. Michael sprach gezielt einzelne Personen im Publikum an, machte Witze mit ihnen und sorgte für eine ausgelassene und entspannte Stimmung. Das ist ihm bei allen Auftritten sehr wichtig. Von sich selbst sagt er, dass Musik alles für ihn ist und er dieses Lebensgefühl an sein Publikum weitergeben möchte: "Ich möchte das Schiff sein, dass, dass das Publikum durch Höhen und Tiefen mitträgt. Wir sitzen da alle im selben Boot."

Gerade diese Philosophie konnte er dank Fringe hervorragend umsetzen. Er widmete Einzelpersonen Songs ihrer Wahl und fragte ob alle mit seiner Musikauswahl zufrieden sind. Es bestand keine klare Linie zwischen Publikum und Künstler, vielmehr herrschte ein Gefühl der Einheit.
Michael selbst fand diese Art von Konzert scheinbar mindestens genau so gut wie das Publikum, denn nach eigener Aussage fand er es großartig, im kleinen Rahmen für ein Publikum zu spielen, dass Musik genau so liebt wie er.
Auch ansonsten findet er nur warme Worte für Fringe: "Die Idee, verschiedene Formen von Kunst unter einem Schirm zu vereinen, ist genial. Ich werde in jedem Fall nächstes Jahr wiederkommen, egal ob ich selbst spiele oder nur Zuschauer bin."



Gerne hätte ich noch weitere Auftritte anderen Künstler besucht, leider hatte ich nicht genug Zeit.
Dennoch geben diese drei Beispiele einen guten Einblick in die Vielfalt dieses Festivals.
Wer nächstes Jahr von Ende September bis Anfang Oktober in Kapstadt ist, sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen!



Von: Johannes Huland
© Bilder: Cape Town Fringe

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