Bereits beim Landeanflug auf Kapstadt stechen einem die
bunten Wellblechhütten sofort ins Auge. Auf dem Weg vom Flughafen in die
Innenstadt sieht man die Townships noch genauer. Für unsereins sehen die Armenviertel
Langa, Gugulethu oder Khayelitsha von außen unmenschlich aus.
Wie Menschen in diesen sporadisch zusammengezimmerten Hütten
leben können, ist von außen unvorstellbar. Doch wer ein Township einmal von
innen gesehen hat, sieht die Armenviertel, aber vielleicht auch die Welt mit
etwas anderen Augen.
Wenn immer man nach Kapstadt rein oder aus Kapstadt raus möchte,
fährt man direkt an den Townships vorbei. Umso häufiger ich an diesen
Wellblechhütten vorbei fuhr, desto größer wurde mein Interesse das Innenleben eines
Townships zu sehen.
Anfängliche Bedenken
lösen sich in Luft auf
Ursprünglich hatte ich mich immer gegen eine Township-Tour
gewehrt. Die Armut anderer Leute zu begaffen, verstößt gegen meine
Grundprinzipien. Dass die Menschen in den Townships es aber gar nicht als
„begaffen“ wahrnehmen, wenn andere Leute sehen möchten wie sie leben, erfahre ich
erst als ich mich mit Ortkundigen und Einheimischen unterhalte. Im Gegenteil,
die Menschen präsentieren stolz ihre Heimat und Lebenskultur.
Mit diesem Wissen entscheide ich mich für eine geführte Township-Tour
nach Langa und Gugulethu. Auf eigene Faust ein Township zu erkunden, davon wird
eher abgeraten. Noch immer werden täglich viele Menschen in den Townships
getötet. Die Kriminaltätsrate ist unverändert hoch. Einige Townships wie Langa gelten
beispielsweise als sicherer als andere. Wobei man auch hier ganz unterschiedliche
Dinge hört. Eine Sicherheits-Garantie kann letztendlich niemand geben, da immer
und überall „etwas passieren kann.
Los geht die Tour -
Erster Stopp: „District Six“
In einem komfortablen Kleinbus geht von der Stadt aus Richtung
Flughafen. Zunächst legen wir etwas außerhalb der Stadt einen Zwischenstopp ein.
Wir halten im „District Six“-Gebiet. Hier siedelten sich um 1870 freigelassenen
Sklaven, Händlern, Künstlern, Arbeitern und Immigranten an. Um 1960 rum wurde
die Menschen vertrieben und ihre Häuser abgerissen, um daraus ein Wohnviertel
für „Weiße“ zu machen. Diese und weitere
Geschichten rund um das Thema Apartheit und Townships bekommen die Touristen im
Bus haargenau vom einheimischen Fahrer erklärt.
Das "District Six"-Gebiet ist unweit von Kapstadt-City entfernt. |
Inklusive kurzem Zwischenstopp sind wir nach etwa nach 20
Minuten in Langa. Als wir in das älteste Township Kapstadts einfahren, sind
viele Leute auf der Straße. Es ist kurz vor Mittag. Aus dem Kleinbus heraus
sehen wir einen kleinen Markt. An einem Stand wird gerade gegrillt. Viele Leute
stehen an, um sich hier ihr Mittagessen zu kaufen.
Unser erster Gang führt aber nicht auf den Markt - was ich
eigentlich angenommen hatte - sondern in eine Art Berufsschule. Oder besser
gesagt, in eine Art Klassenzimmer. Jungen Erwachsenen wird hier beispielsweise
beigebracht, wie man eine Internetseite aufbaut. Außerdem stellen die Schüler
Schmuck aus Teeschachteln oder anderen Verpackungen her. Willkommen sind alle,
die etwas lernen wollen.
Junge Erwachene bereiten sich hier auf ein Leben außerhalb des Townships vor. |
Was für ein
herzlicher Empfang
Nun geht es auf die asphaltierten Straßen. Die Wellblechhütten,
die von der Straße zu sehen sind, gibt es in diesem Bereich nicht. Es sind
massive kleine Häuschen, die hier stehen. Es ist wie ein eigener Stadtteil, wo
augenscheinlich die „etwas besseren“ wohnen.
Die Menschen rufen uns ein freundliches „Hey“ zu. Sie freuen
sich über unseren Besuch - sofort kommt ein kleines Mädchen zu mir angerannt
und umarmt mich. Sie ist vielleicht zwei Jahre alt - keinesfalls älter.
Sprechen kann sie noch nicht. Wow - mit so etwas hätte ich überhaupt nicht
gerechnet.
Sprechen konnte das Mädchen nicht. Ihre Umarmung sprach aber für sich. |
Unser Guide gibt ein strammes Tempo vor. Mir ist das ganze
etwas zu schnell. Die Eindrücke muss man ja erstmal auf sich wirken lassen.
Vorbei geht es an einer Arztpraxis und einer Schneiderei.
Von weitem hören wir
afrikanische Musik, dazu singen Menschen.Die Klänge kommen aus dem „Guga S’Thebe Theatre“ - ein hochmodernes
Kunst- und Kulturzentrum, das erst vor kurzem fertig gestellt wurde. Hier
können Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen, musizieren und tanzen.
Die Tänzer üben für ihre Auftritte |
Gesichtsunterricht
vor Ort
Anschaulicher Gschichtsunterricht |
Nächste Station unserer Walking-Tour ist eine ehemalige
Passausgabestelle, die nach Beendigung der Apartheid von der Bevölkerung erst
zerstört und nun als Museum wieder aufgebaut wurde. Hier wird uns erklärt, dass
ab jeder Schwarze einen Pass bei sich haben und ihn jeder Zeit auf Verlangen
vorzeigen musste. Ansonsten ging er direkt ins Gefängnis.
Und weiter geht’s - Nächster Programmpunkt: eine
Bierbrauerei inklusive Bierverkostung. Gut, nach Bier schmeckt das Gebräu nicht
gerade. Der Schluck aus dem 5-Liter-Blecheimer schmeckt eher süßlich. Dennoch ist
die Atmosphäre in der kleinen Holzhütte unter all den Einheimischen, die
täglich hier her kommen, etwas Besonderes. Jeder der Männer hat ein Lächeln im
Gesicht, die Vorfreude auf das Bier sieht man ihnen an. Trotzdem geben sie wie
selbstverständlich den Touristen den gerne Vortritt, wenn es um den ersten Schluck
geht. Schnell R10 für einen Schluck Bier hingeblättert und wir brechen auf zur
nächsten Station.
Die Bierbrauerei in Langa. Männer warten auf ihren Schluck |
Gechillt wird hier in
Perfektion
Auf einer freien Rasenfläche liegen ein paar junge Männer,
die uns freundlich zurufen. Ich frage unseren Guide, was die Jungs den ganzen
Tag so machen. Er lacht und antwortet mir: „Nichts. Sie liegen hier den ganzen
Tag rum.“ Viele von diesen Jugendlichen vertreiben sich den Tag mit Alkohol und
Drogen. Leider Alltag in den Townships.
Ein Obstladen in einem Township |
Schafsköpfe gelten als Delikatesse in SA |
„Die Menschen kennen
nichts anderes“
Nach einer sehr interessanten und aufschlussreichen Führung durch
unseren Guide, der selbst in Langa lebt und die Leute dort kennt, bringt uns
der Kleinbus nach Gugulethu. Hier sehen wir die Wellblechhütten aus nächster
Nähe. Vor den „Häusern“ hängt Wäsche, Kinder spielen. „Wenn ihr die Leute
fragen würdet, wie es ist in diesen Häusern zu leben, würden sie nicht
verstehen, was ihr damit meint“, sagt unser Guide und ergänzt: „für die Mensch ist
das hier normal. Sie kennen nichts anderes und leben gerne hier. Das ist ihr zu
Hause, sie haben gar nicht das Bedürfnis in die Stadt zu ziehen.“
Wäsche hängt vor den Wellblechhütten |
In Gugulethui besichtigen wir die Denkmäler der „Gugulethu
Seven“ und von „Amy Biehl“. Die „Gugulethu Seven“ waren
Freiheitskämpfer, die Mitte der 80er-Jahre im Zuge der Anti-Apartheid-Kämpfe
auf von der Polizei an dieser Stelle auf offener Straße erschossen wurden.
Das Amy-Biehl-Monument |
Gugulethu Seven Memorial |
Biehl, eine US-amerikanische Studentin, die für die Rechte
der schwarzen kämpfte wurde 1993 von diesen Leuten umgebracht. Sie hatten sie
für eine Feindin gehalten. „Wir haben nur ihre Hautfarbe gesehen“, sagte ihr
Mörder Peni 2011 in einem Welt-Interview. Nach vier Jahren Haft begnadigte ihn
die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die zur Aufarbeitung von Verbrechen
während der Apartheid eingerichtet worden war.
Das Township-Restaurant
als Ausklang einer beeindruckenden Tour
Unsere letzte Station ist schließlich das berühmte Township-Restaurant
Mzoli’s in Gugulethu. Jeden Sonntag pilgern hier Einheimische und auch viele
Touristen her, um zusammen zu grillen und bei stimmungsvoller Musik zu tanzen.
Nun geht es zurück in die Stadt. Wieder fahre ich also auf
der Autobahn an den Townships vorbei. Nur dieses Mal, ist etwas anders. Ich
weiß nun, wie die Menschen dort leben und dass sie gerne dort leben. Sie sind
zufrieden mit dem was sie haben und mit dem was sie machen. Einziger
Wehrmutstropfen bleibt die Gewissheit, dass täglich einige Menschen in
Townships getötet werden.
Eine große Fleischauswahl gibt es in der Mzoli's-Metzgereu |
Das Mzoli's-Restaurant in Gugulethu |
Eine sehr beeindruckende und lehrreiche Ausfahrt, die einem die Augen ein Stück weiter öffnet und das Leben aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt. Wer einige Tage in der „Mother City“ verbringt, sollte auf alle Fälle auch ein paar Stunden in einem Township verbringen. Es lohnt sich!
Von: Matthias Zahner
Weckdaten der Tour
Anbieter: LaGuGu
Internet: www.lagugu.co.za
Start: Long Street
Dauer: 2,5 Stunden
Abfahrt: Alle 30 Minuten von 9 Uhr bis 15 Uhr
Kosten: vor Ort R290; online: R270
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