Friday, October 9, 2015

Schwerelos über Kapstadt




Windumweht stehe ich oben auf dem Signal Hill und blicke in die Nachmittagssonne.Vor mir erstreckt sich die Promenade von Seapoint und das Meer. Der Ausblick ist heute wirklich großartig. Doch das reicht mir heute nicht, für mich geht es heute höher hinaus. Vor mir findet schon das statt, was ich gleich noch vor mir habe: Der Flug mit einem Tandem-Gleitschirm
Schon seit Jahren hoffe ich auf eine Gelegenheit, Paragliden zu gehen und welcher Ort könnte dafür besser sein als Kapstadt? Vor der Kulisse des Tafelbergs über die Stadt schweben – es musste einfach sein!
Doch so einfach war es dann doch nicht. Denn das Kapstädter Wetter gab sich in seiner Unbeständigkeit alle Mühe, meinen Sprung unmöglich zu machen. An zwei früheren Terminen musste der Sprung abgebrochen werden. Doch aller guten Dinge sind drei und an diesem Tag geht es endlich los. Es geht plötzlich alles recht schnell. Ehe ich mich versehe, habe ich einen Helm auf und das Gurtsgestell umgeschnallt. Die GoPro wartet bereits in meiner Hand auf ihren Einsatz. Wir begeben uns in unsere Startposition. Mein Pilot erklärt mir, dass ich auf sein Zeichen einfach loslaufen soll. Und dann starten wir. Nach wenigen Sekunden bewegen sich meine Füße bereits nur noch durch Luft– wir sind abgehoben!
Nach kurzer Zeit mache ich es mir in meinem „Sitz“ bequem, so dass ich den Flug voll genießen kann.


Mein skeptischer Blick verrät: Ich hätte eine Sonnenbrille mitbringen sollen.
 Es ist ein unglaubliches Gefühl, dass sich für mich mit nichts vergleichen lässt. Was am ehesten an diese Erfahrung herankommt, sind Segelflugzeuge. Aber selbst dort habe ich eine geschlossene Kabine. Beim Paragliding hängen meine Beine einfach locker über aus dem Sitz heraus und darunter kommt mehrere hundert Meter erst einmal nichts. Und durch den fehlenden Motor gleiten wir nahezu lautlos durch die Luft. Ein sehr erhabenes Gefühl, es fühlt sich geradezu schwerelos an.
Nicht umsonst werden Gleitschirme auch zur Vogelbeobachtung eingesetzt, denn sie sind emissionsfrei und nutzen, ebenso wie die Vögel selbst, Thermik. So können die Wanderwege der Tiere nachverfolgt werden, ohne diese zu stören.

Langsam schweben wir an der Flank des Signal Hill entlang und steigen mit einigen Drehungen immer höher. Der Ausblick ist fantastisch! Nicht, dass es Kapstadt an guten Aussichtspunkten mangeln würde, das Gefühl ist jedoch noch einmal viel spektakulärer. Immerhin fliege ich gerade in 400 Metern Höhe und stehe nicht auf festem Boden. Und der Rundumblick ist unschlagbar.



So geht es einige Minuten hin und her und unter dem Piepen des Höhenmessers immer noch etwas höher. Paragliding ist unglaublich entspannend. Im Gegensatz zum Skydiven geht es hier weniger rasant zu und man hat mehr Zeit, sich einfach umzuschauen oder ein Gespräch mit dem Piloten zu führen. Josh, mein Tandempartner, erzählt mir zum Beispiel, wie er am Northern Cape schon mehrere hunder Kilometer am Stück geflogen ist und dass der Gleitschirm für ihn sein Büro ist.

Nach einigen Runden am Signal Hill drehen wir Richtung Meer ab. Langsam gleiten wir über Sea Point und in die Sonne hinein. Die Häuser aus dieser Perspektive zu sehen, ist spannend, da sich viele neue Einblicke ergeben und sich auch bisher unbekannte Details entdecken lassen.

Fly me to the moon...oder in diesem Fall zur Sonne
 Langsam nähern wir uns dem Ende unseres Fluges. Doch das heißt nicht, dass wir keine Highlights mehr zu erwarten haben. Über dem Meer dreht Josh noch einige steile Kurven, bei denen wir ordentlich beschleunigt werden. Pragmatisch teilt er mir mit, dass ich ruhig schreien darf, was sich vor lauter Begeisterung auch kaum vermeiden lässt.


Langsam nähern wir uns nun unserem Landeplatz an der Promenade von Sea Point. Inmitten von Joggern und Fußballspielern setzten wir schließlich sanft auf. Es fühlt sich komisch an, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, so als hätte mir jemand meine Leichtigkeit aus dem Flug weggenommen. Dazu kommt eine Überportion Adrenalin, die mich ein wenig klapperig macht.
Aber diese Nebeneffekte toleriere ich gerne, denn es war ein großartiges Erlebnis. Kapstadt aus der Vogelperspektive ist eine besondere Erfahrung, die ich jederzeit wiederholen würde.



Geflogen bin ich mit Parapax, dem ältesten Paragliding-Anbieter Kapstadts. Sofern das Wetter es zulässt, wird jeden Tag bis zum Sonnenuntergang geflogen. Gerade im Winter und Frühling ist das Wetter jedoch, wie oben beschrieben unberechenbar, also müssen Termine auch manchmal verschoben werden. Parapax war jedoch sehr bemüht, mir zeitnah einen neuen Termin zu geben.
Auch sonst sind Buchungen relativ unkompliziert

Gesprungen wird sowohl vom Signal Hill, als auch vom Lion's Head. Beide bieten unterschiedliche Perspektiven und Fluglängen, wobei letzere in erster Linie vom Wetter abhängen. Unser Flug dauerte etwa 13 Minuten, bei schlechter Thermik kann es auch nach zwei Minuten wieder vorbei sein.

Parapax bietet neben Gleitschirm-Fliegen auch motorisiertes Paragliding an.
Die Preise belaufen sich auch 1150 Rand für das "normale" Fliegen und 1250 -1850 Rand für Motorflüge. Fotos und Videos vom Flug kosten zusätzlich 250 Rand.
Gruppenrabatte sind ebenfalls möglich, dazu sollte man bei der Buchung einfach anfragen.
Alle weiteren Infos findet ihr auf der Homepage: http://www.parapax.com/
Wer Kapstadt aus einer einmaligen Perspesktive kennenlernen will, sollte sich diese Aktivität nicht entgehen lassen.



Von: Johannes Huland


Wednesday, October 7, 2015

Die Definition von Vielseitigkeit


Eine nahezu unüberschaubare Anzahl von verschiedenen Acts aus den unterschiedlichsten Bereichen, überall in der ganzen Stadt verteilt -  das war das diesjährige Cape Town Fringe Festival.
In diesem Jahr fand es zum zweiten Mal statt und CEO Tony Lankester ist auf voller Linie zufrieden:
"Das zweite Jahr mit Cape Town Fringe hat Wachstum und weiteres Potential gezeigt. Wir nehmen einige neue Ideen aus diesem Jahr mit, da wir im regen Austausch mit Künstlern, Zuschauern und Medienvertretern standen, um von ihnen zu hören, wie Fringe noch besser werden kann.
Unter den Höhepunkten für das Cape Town Fring Team war die Begeisterung der Kinder, die am Schulprogramm teilnahmen und die Arbeit mit den passionierten und talentierten Künstlern, die mit ihrem Engagement soviel zu der positiven Energie des Festivals beigetragen haben."

Das besondere am Konzept des Festivals ist, dass es aus vielen kleinen Shows besteht, in denen häufig das Publikum einbezogen wird, um für größere Nähe zu sorgen.
Wie vielseitig die Acts waren, sollen hier beispielhaft drei verschiedene Auftritte zeigen.
 
1. Magic through the Ages
Eine Magieshow? Was kann es da schon neues geben? Das mag zumindest der ein oder andere denken. Und tatsächlich wirkt es erst einmal so, als würde Brendon Peel nur die bekannten Tricks aus dem Hut zaubern. Doch weit gefehlt. Die Art, wie er seine „Magie“ dem Publikum präsentiert und dieses mit einbezieht, ist innovativ und vor allem unterhaltsam.
Nicht nur, dass er  hin und wiederkleine geschichtliche Fakten mit einstreut, um zu erklären, wie einige der bekanntesten Tricks und die Magie an sich entstanden sind. Vielmehr schafft er es, das Publikum permanent zu verwirren, indem er seine Kunststücke scheinbar erklärt, nur um dann zu zeigen, dass er seine Zuschauer erneut hinters Licht geführt hat.

Für ihn sind seine Tricks aber nicht nur reine Unterhaltungsmethoden. Er versteht sie auch als Psychologietest, um die Grenzen des Publikums auszureizen. Während eines Kunststücks bittet er eine Zuschauerin, erst ihren Namen, dann ihre Bankdaten auf eine Spielkarte zu schreiben. Nach kurzem Zögern setzt sie den Stift für die Kontodaten an, doch Brendon stoppt sie. Später erklärt er:
"Die Zuschauer sind bereit, viel mehr zu tun, wenn sie denken dass es Teil eines Tricks ist und es ist interessant ihre Grenzen zu erkunden."
Seine Show ist durch all diese Facetten für alle Altersgruppen unterhaltsam und birgt einige Überraschungen. Magie ist eben doch nicht immer das gleiche.



2. Fat Man's Coop
Dieses 30-minütige Schauspiel setzt sich viel mehr mit der Gedankenwelt und der Verzweiflung von übergewichtigen Menschen auseinander und ihrem persönlichen Konflikt mit ihrer Außenwirkung.
Dominic Paulsen gibt beeindruckend die Resignation und Verzweiflung wieder, mit der übergewichtige Menschen kämpfen müssen. 
Es ist kein schönes Stück. Gleich zu Beginn schleppt Dominic sich von der Bühne und verschwindet hinter den Kulissen, um sich dort zu übergeben. Wie das Publikum kurz darauf erfährt, hatte er versucht, sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Alles an ihm strahlt Fatalismus und Resignation aus.

Das Bühnenbild wirkt in diesem Zusammenhang wie seine innere Gedankenwelt. Drei Schaufensterpuppen, verkleidet als ein Engel, ein Teufel und eine Art Joker stehen in einem Dreieck auf der Bühne. Sie scheinen für seine widersprüchlichen Gefühle zu stehen. Während der Engel seine rationale Seite widerspiegelt, stehen Teufel und Joker für Gefühle wie Selbst-Verachtung und Minderwertigkeit. Immer wieder ist ein Zischeln zu hören, dass wie Flüstern klingt. Dominic schreit dann die Figuren an, sie sollen schweigen. Was vermeintliche Einbildung ist und scheinbar wenig zu sagen hat, wird später noch wichtig, denn die Puppen führen scheinbar ein Eigenleben. Das Stück dreht sich jedoch kaum um  den Einfluss anderer Menschen in Dominics Leben. Die einzige Interaktion mit der Außenwelt sind immer wieder auftretende Stimmen aus dem Off, meistens von einer Frau, die Dominics Mutter sein könnte. Doch diese Stimmen bleiben anonym und unterstreichen Dominics Isolation.

Eines Abends entscheiden die Puppen sich, Dominic in dieser Nacht endgültig in seinem Selbstmord zu treiben. Für sie ist es klar, dass er aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht lebenswert ist. Dominic bringt jedoch endlich die Kraft auf, sich seinen Dämonen entgegen zu stellen. Dem Teufel und dem Joker reißt er die Kleider und Perücken vom Leib und lässt sie wissen, dass sie keine Macht mehr über ihn haben und er dankt dem Engel, dass er ihn vor unvernünftigen Schritten bewahrt hat. Nun möchte er sein Leben selbst in die Hand nehmen.

"Fat Man's Coop" ist ein beeindruckendes, ungewöhnliches Stück, dass eine andere Perspektive auf Übergewichtigkeit erlaubt.
Dominic zeigt, wie übergewichtige Menschen einerseits mit ihrem eigenen Selbstmitleid kämpfen müssen, gleichzeitig wissen sie jedoch, dass sie von anderen aufgrund ihrer Figur abgewertet werden.


3. Michael Lowman
 Michael Lowman ist ein südarikanischer Sänger und Songwriter aus Durban. In Südafrika konnte er sich in den letzten Jahren bereits einen Namen machen und wurde unter anderem für den South African Music Award for Best Adult Contemporary Album nominiert.

Im Rahmen von Fringe gab er einige kleine Konzerte, in denen er sowohl eigene Stücke, unter anderem seine neue Single "Fight", als auch Coversongs präsentierte. Er legt sich nicht eindeutig auf eine Musikrichtungen fest, nutzt aber Elemente aus Pop, Rock Blues und Folk. Das besondere an seinen Konzerten war, wie bei allen Fringe-Acts, die Nähe zum Publikum. Michael sprach gezielt einzelne Personen im Publikum an, machte Witze mit ihnen und sorgte für eine ausgelassene und entspannte Stimmung. Das ist ihm bei allen Auftritten sehr wichtig. Von sich selbst sagt er, dass Musik alles für ihn ist und er dieses Lebensgefühl an sein Publikum weitergeben möchte: "Ich möchte das Schiff sein, dass, dass das Publikum durch Höhen und Tiefen mitträgt. Wir sitzen da alle im selben Boot."

Gerade diese Philosophie konnte er dank Fringe hervorragend umsetzen. Er widmete Einzelpersonen Songs ihrer Wahl und fragte ob alle mit seiner Musikauswahl zufrieden sind. Es bestand keine klare Linie zwischen Publikum und Künstler, vielmehr herrschte ein Gefühl der Einheit.
Michael selbst fand diese Art von Konzert scheinbar mindestens genau so gut wie das Publikum, denn nach eigener Aussage fand er es großartig, im kleinen Rahmen für ein Publikum zu spielen, dass Musik genau so liebt wie er.
Auch ansonsten findet er nur warme Worte für Fringe: "Die Idee, verschiedene Formen von Kunst unter einem Schirm zu vereinen, ist genial. Ich werde in jedem Fall nächstes Jahr wiederkommen, egal ob ich selbst spiele oder nur Zuschauer bin."



Gerne hätte ich noch weitere Auftritte anderen Künstler besucht, leider hatte ich nicht genug Zeit.
Dennoch geben diese drei Beispiele einen guten Einblick in die Vielfalt dieses Festivals.
Wer nächstes Jahr von Ende September bis Anfang Oktober in Kapstadt ist, sollte sich diese Chance nicht entgehen lassen!



Von: Johannes Huland
© Bilder: Cape Town Fringe